Ist Mord Kunst?
Diese Frage stellten Livia Gisin, Kendra Kotas, Christina Müller in ihrer interdisziplinären Projektarbeit zur Berufsmaturität.
Lesen Sie hier die Projektarbeit: Faszination Mord und Totschlag in der Literatur.
Sie beflügelte uns vom Krimiclub näher auf das Thema Mord als Kunstform einzugehen.
Was ist Kunst?
Nun vorerst, was ist Kunst? Auf artfocus.com findet sich eine allgemeingültige angemessene Definition.
Kunst ist eine wesentliche Ausdrucksform für Gefühle und Gedanken, welche den Menschen bewegen. Kunst ist hierbei weniger das, was Kritiker und Spekulanten für wertvoll und handelbar halten, sondern vielmehr all das, worin der Künstler ein Stück von sich selbst gegeben hat. Sei es ein großes oder ein eher bescheidenes Werk. Es ist immer Ausdruck einer expressiven Schaffenskraft und des Bedürfnisses, sich mitzuteilen.
Gabriella Wollenhaupt & Friedemann Grenz zitieren in ihrem Krimi „Schöner Schlaf“, in welchem es über ein Werk des holländischen Malers Jan Vermeer und einen Mord im Künstlermilieu geht, Manuel Kant. Dieser definiert Kunst in einer dreifachen Negierung:
- Kunst ist kein Werk der Natur, kein Werk des Zufalls und kein Werk der Wissenschaft -
Ist nun Mord Kunst? Kann ein Mörder kunstvoll töten? Verwendet man den reziproken Wert der Schaffenskraft, die Zerstörung, so kann man gewissermassen von negativer Kunst sprechen. Gesellschaftlich betrachtet ist es ein unverzeihbarer brutaler Akt. Aus Sicht des Täters (fiktiv oder real) kann es sehr wohl als kunstvoller Akt betrachtet werden. Vergleichbar mit einem Fussballer der mit einem Kunstschuss das unmögliche Tor gelingt, oder einen Fechter der einen kunstvollen Treffer landet.
Meist sind es Serienkiller, welche ihren Taten einen Stempel aufdrücken. Ihr „Können“ zeigen sie darin, dass sie mit der Polizei Katz und Maus zu spielen, ihre Opfer spektakulär in Szene setzen. So kreuzigt der Mörder in Boris Starling „Messias“ seine Opfer und steckt ihnen einen silbernen Löffel in den Mund, und in Mark Nykanen „Totenstarre“ verwendet der Mörder lebende Personen als Formen für seine Bronzegüsse. Hier wird der Mord zum Kunstwerk.
Unvergesslich bleibt wohl die Szene aus Thomas Harris „Schweigen der Lämmer“ als Hannibal Lecter aus dem Gefängnis ausbricht. Er lässt es sich nicht nehmen sein Opfer mit ausgebreiteten Armen wie ein Vogel ans Gitter zu binden. Kunstvoll in Szene gesetzt von Jonathan Demme.
Eine persönliche Meinung
Eines unserer Mitglieder hat sich hierzu einige persönliche Gedanken gemacht. Wir finden man hätte es nicht besser umschreiben können.
Wenn man eine Tote im Schnee und ausserdem im Brautkleid liegen sieht... kann das als Kunst gesehen werden? (Jan Seghers: die Tote im Schnee)
Ist ein Mörder, der sein Opfer künstlerisch "verziert", ein Künstler, ein James Bond gar, ein Gentleman-Verbrecher?
Bei Mankell kann ich oft fast nicht ertragen, wie die Ermordeten zugerichtet sind: verkohlt über einem Transformator - was vielleicht im Übertragenen als Beschreibung einer Hinrichtung mittels elektrischem Stuhl gelesen werden soll -, andere sind skalpiert oder sonst wie gefoltert worden.
Mir sträuben sich die Haare bei der Vorstellung, ein Mörder sähe sich als Künstler - Kunst auf Kosten eines Lebens? Wäre dabei die Meinung, er sei dank seines "künstlerischen Akts" eine Stufe milder zu beurteilen oder er könne gar auf einen Freispruch des Leser's wenigstens hoffen?
Muss man einen Krimi als Kunst-Werk betrachten? Kunstvoll finde ich die Idee, den "Plot", die spannende Schreibweise.
Viele Morde, die sich als Verarbeitung von Tatsachen wie zum Beispiel der Ereignisse von 9-11 verstehen, müssen somit als Spiegelung des Abscheus des Schriftstellers gelesen werden (Mankell: vor dem Frost). Die Verarbeitung von 9-11 kann zum Beispiel im Beschreiben von Massenselbstmord religiöser Fanatiker liegen - mit "Versprengten", die sich mit morden "warmlaufen" - das akzeptiere ich als eine Art Kunst-Darstellung.
Auch wenn sich mir anfänglich die Haare sträubten, so kann ich nach diesen Beispielen die Schreibkunst, die darstellende Kunst nicht ganz ablehnen. Kunst ist oft ein eigenes Reflektieren und Abbilden einer Situation, die vielleicht schwer fassbar oder unfassbar ist.
Krimi als Kunst ist wohl manchen zu hoch gegriffen. Ob aus religiösen Gründen solche Literatur abgelehnt wird, oder als reine Erfindung angesehen wird - Krimis können polarisieren und zu Diskussionen anregen. Klassiker arbeiten vielleicht mit Gift, modernere Autoren spiegeln Terror und Entsetzen.
Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag Der perfekte Mord und Mord im Künstlermilieu