David Peace - Tokio im Jahr Null
Es ist der 15. August 1945 um 12.00 Uhr als Kaiser Hirohito die Kapitulation Japan verkündet. Japans Stunde Null. Ein Land, nicht zuletzt durch zwei Bomben in die Knie gezwungen, ist wortwörtlich am Boden zerstört. Die Schmach und Erniedrigung ist unendlich gross. Das Volk darbt und leidet unter der Hitze des Sommers 1946 als Inspektor Minami Jagd auf einen Serienkiller macht. Bald ist ein Schuldiger gefunden, welcher auch zwei Taten gesteht. Minami ist sich jedoch sicher, dass es noch mehr Opfer und Verstrickungen gibt. Nicht allen gefällt dies. Minami gerät immer mehr ins Visier der Obrigkeit, unrühmliche Dinge könnten an den Tag kommen. In einem kaputten Tokio begibt er sich auf die Suche nach Namen der weiteren Opfern, eine Suche die ihn schlussendlich zu sich selbst führt.
Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten aus dem Leben des japanischen Serienmörders Kodaira Yoshi. Kodaira wurde 1946 verhaftet und 1947 für seine zahlreichen Morde an jungen Frauen zum Tode verurteilt. Zwei Jahre später wurde er hingerichtet.
David Peace wurde durch seine Buchserie „1974“,“1977“,1980“ und „1983“ dem „Red-Riding-Quartett“ bekannt. In dieser äusserst brutalten Reihe geht es um vom „Yorkshire Ripper“. Peace betrachtet darin die Verbrechen des Ripper nicht als isolierte Tat , sondern als Folge von kausalen Zusammenhängen in denen auch die Politik und Gesellschaft verstrickt ist.
Ähnlich ist es auch in „Tokio im Jahr Null“. Darin verwebt Peace die wahre Geschichte Kodairas mit der fiktiven Figur des Inspektor Minami. Im Roman herrscht eine zu tiefst düstere Stimmung und Hoffnungslosigkeit. Dies ist, ganz im Widerspruch zu seinem Namen, typisch für Peace. Anders aber als im beinahe unerträglichen „Red-Riding-Quartett“ gibt es in „Tokio im Jahr Null“ immer wieder Lichtblicke. Sei es eine glückliche Geliebte, Minamis Familie oder Angehörige von Opfer die Antworten und Frieden finden.
Es wird sicherlich Leser geben, welche dieses Buch nach zehn Seiten weglegen. Peaces Stil ist ultimativ, geradezu manisch. Abgehackte Sätze, ständige Wiederholungen, geschriebene Geräusche, scheinbar zusammenhangslose Gedanken (in kursiver Schrift) und japanische Ausdrücke und Namen, welche man sich als Europäer kaum merken kann, machen es dem Leser nicht einfach einen Lesefluss zu finden. Doch wer sich einmal auf die Sprache Peace eingelassen hat, dem eröffnet sich eine ganz neue Lesewelt. Ein gewaltiges, starkes Werk das einem lange nicht loslässt.
Band zwei der Trilogie „Tokio besetzte Stadt“ ist ebenfalls auf Deutsch erschienen.