Wiley Cash - Schaut nicht zurück
Zwei schaukelnde Mädchen auf einem Ball an einem Seil. Ihre nackten Füsse berühren knapp das hohe Grass. Die Wärme des Sommers ist fast spürbar. So friedlich wie es auf dem exzellent gestalteten Cover der Taschenbuchausgabe des Fischer Verlages aussieht, geht es jedoch nicht zu im neuen Roman von Wiley Cash.
Wade Chesterfield, der Vater von Easter Quilby und ihrer jüngeren Schwester Ruby, kommt überraschend in sein Heimatdorf in North Carolina zurück, und entführt die beiden Mädchen aus dem Waisenhaus in welchem sie seit dem Tod ihrer Mutter wohnen. Wade, der gefallene ehemaliger Baseballstar verschleppt die Mädchen Richtung Westen. Es ist beinahe wie im Computerspiel „The Oregon Trail“ welches die Mädchen im Heim spielten. Wade scheint plötzlich Geld zu haben und will nun eine zweite Chance als Vater. Ganz redlich scheint er dieses Geld nicht erworben zu haben, denn der ehemalige Knastbruder Pruitt ist ihm mit aller Vehemenz auf den Fersen. Er hat mit Wade noch eine Rechnung offen. Auch Brady Weller, der Vormund der Kinder und ehemaliger Polizist, ist Wade auf der Spur. Getrieben von seinem eigenen Versagen bei seiner Familie, will er die Mädchen unbedingt wieder in sicherer Obhut sehen.
Cashs Geschichte handelt Ende der 90er Jahre im Umfeld und vor dem Hintergrund der legendären Baseball Home Run Rekordjagd zwischen Sammy Sosa und Mark McGwire. Ein Thema welches durch und durch amerikanisch ist. Sein Erzählstil ist sehr langsam und die Spannung ist nur subtil vorhanden. Mit Pruitt taucht jedoch plötzlich ein Gefahrenmoment auf, mit dem man nicht gerechnet hat. Die damit verbundene latente Spannungssteigerung erhöht sich bis zum Finale hin. Seine Figurenbeschreibungen sind erstklassig. Sofort kann man sich in diese hineinversetzen. Cash spricht nicht alles aus, vieles muss man sich hinzudenken. Zum Beispiel was bewegt Pruitt so krass gegen ihn vorzugehen? Das verlangt einiges vom Leser ab. Sicher mag manches auch klischeehaft wirken, manches auch träge vorkommen. Mit „Schau nicht zurück“ ist Cash jedoch ein wunderbares Roadmovie gelungen, welches mit spitzer Feder geschrieben ist, und schliesslich mit einem ungewohnten Schluss endet. Ein Genuss.