Hideo Yokoyama
Hideo Yokoyama ist einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Japans. An "64" hat er zehn Jahre lang gearbeitet. Daraus ergab sich ein detailliertes und facettenreiches Werk, dass für manchen europäischen Leser eine echte Herausforderung darstellt. Ungefähr 44 Figuren kommen im 750-seitigen Krimi vor. Das ist wohl in anderen Kriminalromanen nicht anders, wird aber erschwert durch die ungewohnten japanischen Namen.
Der Krimiclub hat das Buch im Rahmen einer gemeinsamen Buchlesung unter die Lupe genommen. Das Fazit fiel vielschichtig aus.
64
Hideo Yokoyamas Meisterwerk trägt den schlichten Titel "64".
Die Hauptfigur Mikami ist Polizeibeamter in einer Provinz Japans. Nach langen Jahren als Kriminalermittler wurde er zum Direktor der Presseabteilung der Polizei befördert. Dieser Job missfällt ihm und er träumt davon, zurück zum Kriminaluntersuchungsamt KUA zurückkehren zu dürfen. Privat ist er mit einer ehemaligen Polizeibeamtin verheiratet. Das Paar hat eine gemeinsame Tochter. Diese ist seit einiger Zeit aus dem Haus ihrer Eltern abgängig. Von ihr fehlt jede Spur. Die Unsicherheit über das Wohlergehen der Tochter nagt an den Nerven der Eltern. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Mikami an seiner Stelle bleibt: Er erhofft sich Unterstützung aus den Kreisen der Polizei bei der Suche nach seiner Tochter.
Eines Tages kündigt sich der Besuch eines hohen Beamten aus Tokio an. Der Generaldirektor will die Familie eines Entführungsopfers besuchen. Der ungelöste Fall von Kinderraub und Mord, welcher 14 Jahre zurück liegt, soll nicht vergessen werden. Dieser Besuch verursacht grosse Sorgen bei der lokalen Polizei. Die Pressevertreter sind gerade sehr ungehalten, weil die Polizei ihnen Informationen verweigert, welche ihnen, ihrer Meinung nach, zustehen. Mikami als Pressedirektor der Polizei ist natürlich im Zentrum des Orkans und muss die Journalisten besänftigen, damit sie den Besuch aus Tokio nicht boykottieren. In diesem Zusammenhang beginnt er, auf eigene Faust über den ungelösten Fall „64“ zu recherchieren. Dabei stösst er auf alle möglichen Hindernisse und erhält keinerlei Unterstützung. Im Gegenteil, er trifft auf Feindseligkeiten seitens der verschiedenen Polizeistellen. Irgendetwas ist damals schief gelaufen, und dies wird seit jeher vertuscht. Hinter dem Besuch des Generaldirektors scheint mehr zu stecken. Gerade kurz vor dem angekündigten Besuch passiert ein neuer Fall von Kinderraub. Nun setzt die lokale Polizei alles daran, die Wiederhoung des Falls 64 zu verhindern, d.h. das verschwundene Mädchen zu finden und die Lösegeldübergabe zu verhindern.
Während des ganzen Buches folgt der Leser den Handlungen von Mikami. Akribisch und detailliert wird jede Besprechung, Szene und selbst Mimik beschrieben. Alles hat eine Bedeutung und endet in einer brillanten Auflösung des Falls.
Doch gerade diese exakt beschriebene Mosaikarbeit ist für die Leser eine Herausforderung. Manch ein Leser wird dies wohl als spannungslos und langweilig empfinden. "64" ist daher auch kein klassischer Thriller. Die Spannung liegt eher im subtilen psychologischen Bereich. So findet man diese z.B im Kleinkrieg zwischen dem Polizeiapparat mit der Presse, sowie den Ränkespielen des Generaldirektors. Hinzu kommt die stets latent vorhandene Sorge um das Wohlergehen von Mikamis Tochter.
Befremdlich, wenn nicht gar irritierend, mag uns auch der Umgang innerhalb der Polizei und den Medienvertretern erscheinen. Da kommt es gar zu Rempeleien, was bei uns unvorstellbar wäre. Der rigorose Umgang mit Fehlern und die permanente Angst um Gesichtsverlust sind weitere Aspekte (uns unbekannter) japanischer Kultur.
Die Meinungen im Club gingen daher auch weit auseinander. Von "grossartiger Literatur", bis "Gesellschaftsroman", und "..noch nie einen so langweiligen Krimi gelesen" gingen die Meinungen weit auseinander.
Da hilft nur eins, selber lesen. Eins darf verraten werden, allein der Auflösung wegen lohnt es sich durchzuhalten.
Autor
Hideo Yokoyama, geboren 1957 in Tokio, arbeitete als investigativer Journalist und gilt als der japanische Stieg Larsson. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und schrieb zehn Jahre an 64, wobei er einen Schlaganfall erlitt. 64 eroberte Platz 1 der japanischen Bestsellerliste und wurde als bester japanischer Kriminalroman des Jahres 2013 ausgezeichnet. In der Folge wurde 64 auch in Großbritannien und in den USA zu einer Sensation. Yokoyama lebt mit seiner Frau in der japanischen Präfektur Gunma. Er schreibt weiterhin viele Stunden am Tag an einem fünfzehn Jahre alten Computer in einem kleinen Raum, umgeben von Tabakrauch, Büchern und Zeitungsartikeln. [Quelle: Politycki & Partner]