S. J. Watson
Ich.darf.nicht.schlafen.
Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf, liegen neben einem fremden Mann/Frau und wissen nicht wo Sie sind, oder wer Sie sind. Und dies liegt nicht dran, dass Sie am Vorabend zu viel getrunken haben, sondern dass Sie sich schlicht an nichts erinnern können. Sie wissen weder Ihren Namen, noch Ihr Alter.
Diese äusserst beklemmende Situation erlebt Christine Lucas jeden Morgen. Die 47. jährige leidet nach einem Unfall an einer besonderen Art der Amnesie. Sie verliert über Nacht ihre ganze Erinnerung.
Bildquelle: http://www.guardian.co.uk/books/2012/jan/10/paperback-q-a-sj-watson Dies ist die Ausgangslage des hochgelobten Erstlingswerks von S.J. Watson „Ich.darf.nicht.schlafen.“ Der Krimiclub nahm das Buch in einer gemeinsamen Lesung unter die Lupe.
S.J. Watson wurde 1971 in Stourbridge in den englischen Midlands geboren und studierte an der Birmingham University Physik.
Nebenbei arbeitete er in verschiedenen Londoner Kliniken unter anderem mit hörgeschädigten Kindern und demenzkranken Menschen. Daraus entstand auch sein Debütroman. Die Idee zum Buch geht gemäss Watson, unter anderem auf die Schicksale von Amnesiepatienten zurück und auf das Schicksal von Clive Wearing, welches Deborah Wearing im beeindruckenden Buch „Gefangen im Augenblick“ festgehalten hat.
Der in London lebende Autor wurde 2008 in das Studienprogramm Kreatives Schreiben der Faber Academy aufgenommen.
Before I go to sleep, wie der Roman im Originaltitel heisst, wurde in über 30 Sprachen übersetzt. Ridley Scott Filmproduktionsfirma hat sich die Filmrechte gesichert. Die Dreharbeiten mit Nicole Kidmann in der Hauptrolle haben bereits begonnen.
Der Roman ist in drei Teile gegliedert:
- 1.Teil: Beginn 30. November
- 2.Teil: 9. November bis 23. November (Rückblick in Tagebuchform)
- 3.Teil: (heute) endet im Dezember
Watson erzählt die Geschichte in der Ich-Form. Christine versucht sich also in ihrer eigenen Welt zurechtzufinden. Ben, ihr Mann, den Sie jeden Morgen von neuem kennenlernen muss, hilft ihr dabei. So hat er Fotos von Ihnen im Bad aufgehängt, erzählt Ihr immer wieder die Geschichte über Ihr Leben, über den Unfall, den Brand in ihrem Haus, bei dem viele Unterlagen und Fotos verlorengegangen seien.
Zunächst ist Christine froh, dass Ben ihr hilft ihr Leben zu strukturieren. Als sich eines Tages der Arzt Dr. Nash bei ihr meldet, bekommt die von Ben erzählte Geschichte jedoch Risse. Dr. Nash ermuntert Sie auch Tagebuch zu schreiben.
Aber warum darf Ben von Dr. Nash nichts wissen? Was verschweigt Ben ihr? Was hat Dr. Nash im Schilde? Immer mehr tauchen wahre Erinnerungsfetzen auf. Christin versucht täglich von neuem ihre wahre Geschichte zu erfahren bis zum finalen Ende.
Der Roman fand im Club mehrheitlich positive Rückmeldungen. Fast alle Mitglieder fanden Ihn äusserst spannend. Nur ein Mitglied fand den Roman schlicht langweilig.
Dies ist durchaus nachvollziehbar, so passiert im Grunde wenig, es gibt kaum Aktion. Die Bezugspersonen sind äusserst knapp beschrieben. Oft wiederholen sich Szenen / Abläufe. Zudem verleitet der deutsche Buchtitel „Ich.darf.nicht.schlafen.“ zu einer falschen Grundhaltung des Lesers. Wesentlich besser passt der englische Originaltitel "Before I go to sleep".
Versetzt man sich jedoch intensiv in die Person Christine, so sind es gerade diese Elemente, welche die Spannung schlussendlich ausmachen. Watson gelingt es ausgezeichnet den Schauplatz klein und die Informationen gering zu halten. Gerade die Ich-Perspektive verunmöglicht es dem Leser einen klaren Gesamtüberblick zu erhalten. Genauso verzweifelt wie Christine ist der Leser, welche nur Häppchenweise neue Informationen erhält. Er (der Leser) fängt an darüber zu spekulieren, welche Rolle spielt Ben? Wer ist Dr. Nash (oder sind Sie ev. nur eine Person?). Was ist wirklich pasSiert? Die Unsicherheit und zeitweilige Panik von Christine überträgt sich unwillkürlich auf den Leser. Wie in einem Sog wird er in die Geschichte hineingezogen und (etwas abrupt) wieder hinausgeworfen. Der Schluss ist es denn auch, welcher im Club am meisten zu reden gab.
Heftig diskutiert wurde auch, wie realistisch das Buch ist. Ohne zu viel über den Inhalt zu verraten, sei hier vor allem die Thematik um die Entlassung von Christine aus der psychiatrischen Klinik erwähnt. Doch wie realistisch soll / muss ein Thriller eigentlich sein? Das Buch mag gewisse Logiklücken haben, wie jedoch S.J. Watson uns in die Welt der Christine führt und daraus eine äusserst spannende Geschichte erzählt, ist jedoch grosse Klasse.
Fazit: absolut lesenswert!
Wir geben dem Buch:
Eine Anmerkung noch zum Schluss. Amnesie mag in vielen Thrillern vorkommen. Oft dient Sie als gängiges Spannungselement, um Umstände zu verschleiern, oder gar die eigene Tat zu negieren. Watson geht das Thema in "Ich.darf.nicht.schlafen." jedoch mit grossem Respekt gegenüber denjenigen Menschen an, welche ihre Erinnerungen verloren haben.
Um Jean Paul zu zitieren: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann“. Oder moderner ausgedrückt, Erinnerungen sind das einzige was uns bleibt.
Ich.darf.nicht.schlafen. S.J. Watson
Verlag: Scherz (Fischer)
Broschiert: 464 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3651000087 / ISBN-13: 978-3651000087
Originaltitel: Before I go to Sleep
Intersante Links zum Thema:
Bericht zum Buch "Gefangen im Augenblick"
Buchtrailer "Befor i go to Sleep"
Weitere Krimis zum Thema: | |
---|---|
"Lauf Jane lauf" | Joy Fielding |
„Das zweite Gedächtnis“ | Ken Follett |
„Splitter“ | Sebastian Fitzek |
„Dunkle Kammern“ | Minette Walters |
„Ein perfekter Freund“ | Martin Suter |
„AmneSie“ | Michael Robotham |
„Namenlos“ | Katherine John |
„Schwarz vor Augen“ | Fredrik Skagen |
„Die Bourne Identität“ | Robert Ludlum |
„Das Haus der Angst" | Dean Koontz |
"Im Blutkreis" | Jerome Delafosse |